Geschichtliche Entwicklung
Die Stadt Lage ist im Gegensatz zu den lippischen Stadtgründungen des 12. und 13. Jahrhunderts das Ergebnis einer kontinuierlichen Entwicklung vom Kirchdorf über das Weichbild zur Stadt (1843) bis hin zur Großgemeinde (1970) mit ihren Ortsteilen Billinghausen, Ehrentrup, Hagen, Hardissen, Hedderhagen, Heiden, Heßloh, Hörste, Kachtenhausen, Müssen, Ohrsen, Pottenhausen, Waddenhausen und Wissentrup. Bis ins 20. Jahrhundert wurde dieser Prozess getragen von Bevölkerungs- und wirtschaftlichem Wachstum sowie dem selbstbewussten Streben nach zunehmender Selbstbestimmung.
Ein Blick in Lages Vergangenheit
Erste Besiedlungen
Eine genaue Datierung der ersten Besiedlung des Gebietes um Lage ist nicht möglich. Doch weisen zahlreiche Funde auf eine Besiedlung seit der Jungsteinzeit (ca. 2400 – 1800 v. Chr.) hin.
In der Zeit von 1948-52 wurden in der Nähe der Johannissteine am Rande der Lageschen Feldmark Feuersteinabsplisse und Eisenschlacke gefunden. 1956 entdeckte man im Wellenkamp, an Nordseite des Lager Berges zahlreiche Feuersteinabsplisse und echte Artefakte, d. h. Objekte, die von Menschenhand bearbeitet worden sind. Da in der Nähe auch Quellwasser vorhanden war, lässt sich dort eine mittelsteinzeitliche Wohnstätte vermuten. Zahlreiche weitere Einzelfunde weisen darauf hin, dass die sandigen und lößbedeckten Terrassen und Flachhänge der Werre und ihrer Nebenbäche v. a. an Waldrändern von jungsteinzeitlichen Bauern besiedelt waren. Auch Hügelgräber aus der Bronzezeit (1800 – 750 v.Chr.) bis hinein in die Eisenzeit (750 – 50 v Chr.) sind im Raum um Lage gefunden worden.
Einen direkten Zusammenhang zur Besiedlung des Dorfes Lage und diesen ersten Besiedlungen lässt sich allerdings nicht nachweisen.
Erste urkundliche Erwähnung
Das älteste bekannte Schriftstück, in dem Lage Erwähnung findet ist eine Urkunde. Sie wurde in Lemgo am 1. Februar 1274 ausgestellt. Mit dieser Urkunde erwirbt der Pfarrer Jordan aus Lage (Lagis) das Recht, von nun an bis zu seinem Lebensende von dem Mönchshof, dem Meierhof zu Stapelage, eine Abgabe zu beziehen.
Dieses Schriftstück sagt uns nicht das tatsächliche Alter von Lage. Aber es zeigt uns, dass Lage schon 1274 ein zentraler Ort eines Kirchspiels war. Darauf weist die in der Urkunde vorkommende Bezeichnung plebanus hin: sie bezeichnet einen Geistlichen der in einer Pfarrkirche die Seelsorge übernommen hatte.
Der Ortsname "Lage"
Schon in den Urkunden und Akten zwischen 1274 und 1614 taucht hier eine Siedlung unter dem Namen „Lage“ auf. Zwar weisen einige Schriftstücke eine etwas abweichende Schreibweise auf, wie z. B. „Laghe“ (1344) und „Laige“ (1478), doch sie entsprechen ebenfalls der heutigen Aussprache des gedehnten a. Zu dieser Zeit waren noch unterschiedliche Schreibweisen für dieselben Namen üblich. Der Name
unseres Ortes wird dabei stets in der Verbindung mit einem weiblichen Artikel gebraucht. Der Gebrauch des Artikels allgemein weist stets auf eine jüngere Siedlung hin.
Ebenso ist es mit der Präposition to, thor „zu“, was darauf hinweist, dass der Flurname Lage noch nicht der Name der Siedlung war, sondern von einer Siedlung bei der Lage oder auch in der Lage gesprochen wird. Im Lippischen Platt heist es „in der Loge“. Der Flurname Lage bedeutet hier vermutlich die niedrige Lage im sich weitenden Werretal. Diese Flurbeschreibung passt gut auf die Gemarkung Lage: denn hier
handelt es ich um eine weite Siedlungskammer mit sandigem, flachen Boden an der unteren Werreterrasse und der bruchigen Werretalaue.
Das Dorf
Das älteste nachweisbare Gebäude in Lage ist die Marktkirche. Gegründet wurde sie als Stammkirche in der sogenannten „zweiten Welle“ von Kirchengründungen im Zuge der Christianisierung. Verstärkte Rodungen und anschließende Urbarmachung des Geländes hatten eine Bevölkerungszunahme in dieser Gegend zur Folge. Diese Entwicklung ließ es wünschenswert erscheinen, das Netz von Kirchen dichter zu
knüpfen, zumal so die zuweilen recht langen Wege bis zum nächsten Gotteshaus verkürzt werden konnten.
Die Lagenser Kirche gehörte zum Bezirk des Paderborner Bischofs, der vermutlich auch an ihrer Gründung beteiligt war. Geweiht wurde die Marktkirche Johannes dem Täufer und trägt deshalb den Namen St. Johann.
Seit der Reformationszeit beherbergt die Marktkirche eine evangelische Gemeinde. Wie ganz Lippe übernahm sie zunächst das lutherische Bekenntnis, bevor sich zu Beginn des 17. Jahrhunderts der Wechsel zum calvinistischen Glauben vollzog. Wann genau die Besiedlung an dieser Stelle begann, ist nicht zu sagen. Doch ergaben archäologische Untersuchungen, dass die Marktkirche, vermutlich im 9.
spätestens im 10. Jahrhundert gebaut worden ist. Sie stand von Anfang an im Zentrum des Dorfes. Hier nahm die Besiedlung des Kirchspiels ihren Anfang. Es ist kein Zufall, dass gerade dieses Gelände zuerst besiedelt wurde. Das Gebiet um die Marktkirche herum zeichnete sich schon damals durch eine verkehrsgünstige und zugleich vor Hochwasser und kalten Ostwinden geschützte Lage oberhalb der
Werretalaue aus. Warme Sandböden und die Möglichkeit der Bewässerung durch die Werre boten günstige Voraussetzungen für eine Besiedlung.
Zudem stellte der heutige Marktplatz einen Kreuzungspunkt wichtiger Tal- und Heerstraßen dar. Sie führten von den Pässen des Teutoburger Waldes (Dörenschlucht, Stapelager Schlucht und Oerlinghauser Schlucht) hinab in das Werretal, überquerten an der Furt in Lage (heute untere Lange Straße) den Fluss und stellten somit die wichtigen Nord-Süd- und Ost-West-Verbindungen dar.
Das Dorf Lage war zunächst ein Verkaufs- und Verleihobjekt. Leider sind die Besitzverhältnisse in den frühen Jahrhunderten der Besiedlung ungeklärt. Der erste Grundherr, der in einer Urkunde auftaucht ist, Ludwig von Rostorpe, Mitglied eines inzwischen ausgestorbenen niedersächsischen Adelsgeschlechts, das u. a. über Güter im östlichen Westfalen verfügte. In der eben genannten Urkunde ist dokumentiert, dass er 1295 den Ort an den Bischof von Paderborn, Simon I zur Lippe, verkaufte. Die weitere Überlieferung ist lückenhaft. Fest steht, dass seit dem 14. Jahrhundert die Edelherren zur Lippe als Lagenser Grundherren in Erscheinung traten. Mit Ausnahme der kirchlichen Besitzungen zwischen der Werre und dem Marktplatz sowie dem Ackerland des Pfarrers, dem sogenannten „Pastorenberg“,
verfügten sie nun über Grund und Boden, für den sie Abgaben von den Einwohnern erheben oder diese Rechte an andere verpfänden konnten.
Für den Ausbau und die Sicherung des landesherrlichen Territoriums Lippe waren Einnahmen und die Errichtung befestigter Orte nötig. Die günstige Verkehrssituation machte das „dorp tor Lage“ zu einem attraktiven Besitz. Die seltene Möglichkeit der Werreüberquerung stellte durch die Einrichtung einer Zollstation eine Einnahmequelle dar. Gleichzeitig bot die Werre die Möglichkeit, eine herrschaftliche Mühle zu errichten. Sie wurde erstmals 1374 in einem Schriftstück erwähnt und stand nahe der Werre-Brücke an der unteren Langen Straße. Die Mühle wurde vom Landesherrn an einen Müller verpachtet. Hier konnte das Getreide der Lagenser sowie der Einwohner der umliegenden Bauerschaften gemahlen werden. 1832 brannte dieses Gebäude nieder. Eine neue Mühle wurde daraufhin im Schlagbruch auf der anderen Seite der Werre, südlich der Langen Straße gebaut. Der nächste Schritt für den Ausbau der herrschaftlichen Macht war die Errichtung
eines befestigten Hauses. Nach einer Urkunde vom 5. April 1395 verpfändeten Edelherr Simon III und sein Sohn Bernhard VI „ihr Dorf Lage“ einer Lemgoer Familie.
Eine Bedingung des Vertrags war, mit einem Teil der Pfandsumme, den Bau eines Steinwerkes zu veranlassen. Dies musste den Edelherren im Bedarfsfall zur Verfügung stehen. Diese sogenannte „Burg“ wurde in der „Eversteinschen Fehde“, einem Streit zwischen den Edelherren zu Lippe und dem Paderborner Bischof um Besitz- und Abgabenrechte zwischen 1404 –1409, im Auftrag des Paderborner Bischofs stark beschädigt. Später befand sich auf diesem Gelände ein herrschaftlicher „Freier Hof“, der dem Amtsvogt der Vogtei Lage als Wohnsitz diente.
Er befand sich in Nachbarschaft zur herrschaftlichen Mühle und steht heute ebenfalls nicht mehr. Durch die Aufwertung des Dorfes als Zoll- und Mühlenort sowie als Siedlung mit Steinhaus nahmen die lippischen Landesherren großen Einfluss auf die weitere aufstrebende Entwicklung Lages.
Das Weichbild Lage
Zum Ende des 15. Jahrhunderts hatten sich in dem Dorf Lage 11 Familien niedergelassen, so verzeichnet es ein Schatzregister von 1467. An der Wende zum 16. Jahrhundert wird aus dem Dorf ein Flecken bzw. Weichbild. Auch hier ist eine genaue Datierung nicht möglich. Erwähnung findet das „Wibbolt [also Weichbild] tor Lage“ ab 1530.
Siedlungsgeographische Untersuchungen haben ergeben, dass es sich bei dem Ort Lage um eine kontinuierlich gewachsene Siedlung handelt. Die Struktur wurde durch den Verlauf der Werre und die bereits vorhandenen Wege bestimmt. Es waren vier Straßen, die auf dem Marktplatz zusammenliefen: Die untere Lange Straße, die obere Lange Straße, die Scheuergasse (heute Gerichtsstraße) und die Bergstraße,
die zum Lager Berg hinführte.
Zu dieser Zeit hatten sich bereits mindestens 29 als Alteingesessene bezeichnete Bauern angesiedelt, deren Höfe bis ins 20. Jahrhundert hinein verfolgt werden können. Ab 1530 ließen sich neue Siedler, sogenannte Neuwohner, in Lage nieder.
Neuwohnerstätten entstanden vor allem am Plaß und an der Heidenschen Straße. Im Gegensatz zu den Alteingesessenen besaßen sie nur wenig Grundbesitz und nur einige von ihnen ein eigenes Haus. Manchmal gehörte ein Garten, seltener ein Stück Ackerland zu ihrem Besitz.
Auch in Höhe und Art der Abgaben an den Grundherren unterschieden sie sich. Die Alteingesessenen hatten 6 Rauchhühner für die Überlassung ihrer Hofstätte und einen festen Betrag an Kuhgeld an den Landesherren abzuführen. Damit erhielten sie das Recht eine unbestimmte Menge an Kühen auf das allgemeine Weideland zu führen. Für die Neuwohner hingegen wurde die Anzahl der zulässigen Kühe bei Ausweisung der Stätte bestimmt, und die Höhe der Abgabe richtete sich nach der Stückzahl des Viehs.
Dieser recht große Zuwachs an Siedlern lässt sich auch durch die besonderen Vorrechte erklären, die den Lagensern als Bewohner eines Weichbildes zuteil wurden. Dazu gehörte auch die persönliche Freiheit.
Die Erhebung zum Weichbild veränderte den rechtlichen Status des Gemeinwesens. Aus dem Verleih- und Verschenkobjekt Lage wurde langsam ein Gemeinwesen mit ersten greifbaren Rechten. Durch landesherrliche Privilegien erhielt ein Weichbild das Recht zur Selbstverwaltung. Dies machte die Alteingesessenen zu freien, gleichberechtigten Bürgern, die aus ihrer Mitte einen Bürgermeister wählen durften.
Für Lage ist die Verleihung der Weichbildrechte nicht schriftlich überliefert. Die Wahl der Bürgermeister ist urkundlich ab 1539 nachweisbar. Vermutlich wurden Bürgermeister und Vorsteher auch ausschließlich aus den Reihen der Alteingesessenen gewählt. Langsam nahm auch die kommunale Verwaltung geregeltere Formen an: so wurde 1661 eine Wahlordnung für das Amt der beiden Bürgermeister erlassen, die erstmals die Einsetzung von Wahlmännern bestimmte. Diese Wahlordnung hatte bis zur Verleihung der Stadtrechte 1843 ihre Gültigkeit. Von den elf bestimmten Wahlmännern waren mindestens 9 der Gruppe der Alteingesessenen zuzurechnen.
In einem Bericht an die Lippische Landesregierung berichtet Syndikus von Cölln über die Verfassung des Fleckens: demnach wählte im Flecken Lage zu einem nicht mehr bekannten Zeitpunkt die Bürgerschaft Bürgermeister und Vorsteher (ab 1791 war dies ein Rat) und stattete sie mit dem Recht aus, sich aus eigener Wahl zu ergänzen. Dieses Gremium setzte sich aus 2 Bürgermeistern, 4 Ratsherren, 3 Wahlmännern und 4 Feuerherren zusammen. 1791 kam noch ein Fleckensydikus dazu. Diese Herren teilten sich die Verwaltungsarbeit. Aus den Reihen des Magistrats wurden noch ein Armenvorsteher und ein Rentmeister bestimmt. Letzterer hatte sich um die Finanzen des Fleckens zu kümmern.
Spätestens seit 1753 wählte der Magistrat die „Deputierten der Bürgerschaft“. Diese in der Regel sechs Personen sollten die Interessen der gesamten Bürgerschaft gegenüber den mehrheitlich durch Alteingesessene besetzten Magistrat vertreten. Dabei hatten sie vor allem auf eine mäßige Steuererhebung und eine sinnvolle Ausgabenverteilung derselben zu achten. Besondere Privilegien, die die Ansiedlung von Handwerkern und gewissen Handel gestatteten, brachten die Möglichkeit zu wirtschaftlicher Entwicklung. Einige dieser Rechte sind in einer Urkunde Bernhards VIII von 1560 fixiert. Darin legte er die Privilegien der lippischen Städte gegenüber den Flecken, Weichbildern und Dörfern fest.
Die für mittelalterliche Städte typische Sicherung des Ortes erfolgte in Lage vermutlich zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges in Form von Wall und Graben. Sie sollen entlang der heutigen Rhienstraße verlaufen sein. Der Graben wurde wahrscheinlich vom Rhienbach gespeist, nach dem die Straße benannt worden ist.
Der Flecken Lage von 1791 bis 1843
Für Rechtsprechung der umliegenden Bauernschaften war zu dieser Zeit das GoGericht zu Lage zuständig. Für die freien Bürger des Fleckens Lage übten spätestens seit dem 18. Jahrhundert drei Institutionen die Rechtsprechung in erster Instanz konkurrierend aus: Das Amt in Detmold, das Fleckengogericht mit dem herrschaftlichen Richter als Vorsitzendem, sowie die Bürgermeisterei und Vorsteher Lages.
Dieses Recht auf eine eigene Gerichtsbarkeit war bereits mit der Erhebung zum Weichbild erworben worden. Dabei handelte es sich um eine Vorform des späteren Stadtgerichtes. Die Verhandlungen fanden im Rathaus unter der Aufsicht des jeweiligen Fleckensyndikus statt, der zu dieser Zeit noch nicht in Lage ansässig sein musste.
Zwischen den oben genannten drei Institutionen kam es in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts zu Kompetenzstreitigkeiten. Aus diesen Konflikten ging ein Prozess zwischen dem Amt Detmold und dem Flecken Lage hervor, der 25 Jahre dauerte.
Erst ein Vergleich im Jahre 1791 klärte die Zuständigkeiten und beendete zwei weitere Prozesse des Fleckens mit der Rentkammer in Detmold. Der Vergleich von 1791 brachte dem Flecken Lage Rechte ein, die ihn in vielen Punkten den Städten Lippes gleichstellte. Er bekam nun offiziell die Zuständigkeit für die Rechtsprechung in erster Instanz. Faktisch hatte Lage schon zuvor diese Gerichtsbarkeit für sich in Anspruch genommen. Die Kompetenzen gegenüber dem Amt Detmold und dem Herrschaftlichen Richter wurden jetzt klar definiert. Außerdem durfte Lage von nun an selbst für eine „gute Polizei“ sorgen. Dieser Bereich der Verwaltung führte Maßnahmen zur Erhaltung von Sicherheit und Ordnung durch.
Der vom Flecken gewählte „Fleckensyndikus und –sekretär“, musste nun in Lage ansässig sein. Zuvor füllten dieses Amt in der Regel etmolder Advokaten aus. Eine ständige Präsenz im Ort brachte demgegenüber erhebliche Vorteile mit sich. Der Fleckensyndikus war Vorsitzender des Fleckengerichts und übte, assistiert von Ratsherren, die Justizpflege in Kriminal- und Zivilsachen aus. In Zivilangelegenheiten hatte er zugleich für die Vollstreckung der Urteile zu sorgen. Darüber hinaus war er für „Sicherheits- und Gesundheitspolizei“, Hypothekenbuch, Kataster, Passausstellung und das Ausfertigen von Verträgen zuständig.
Lage wird Stadt
Der stadtähnliche Status des Fleckens Lage fand noch einmal Eingang in die Landständische Verfassungsurkunde von 1836. Darin werden die Stände des Landtags in drei Gruppen eingeteilt: neben der Ritterschaft und den übrigen Grundbesitzern des Landes werden als zweiter Stand die Städte, einschließlich des Fleckens Lage genannt. Dabei konnten die Bürger der Stadt Barntrup gemeinsam mit dem Flecken Lage einen Abgeordneten des zweiten Standes wählen.
Im Januar 1843 unternahmen der damals amtierende Bürgermeister Friedrich Schuster und Syndikus von Cölln im Auftrag des Magistrats und der Deputierten der Bürgerschaft einen neuen Versuch. Sie argumentierten u. a. mit der bereits vollzogenen formalen Gleichstellung mit den anderen Städten des Landes. Die kurz darauf von der Regierung in Detmold an den Magistrat und die Deputierten in Lage übersandte Urkunde trägt das Datum vom 17. Januar 1843.
Vertraten vor 1843 die Deputierten die Interessen der Bürgerschaft gegenüber dem Magistrat, übernahm diese Aufgabe jetzt ein neunköpfiges Stadtverordnetenkollegium mit neun Stellvertretern. Sie wurden von der gesamten Bürgerschaft für drei Jahre gewählt, wobei jedes Jahr ein Drittel durch Wahl neu bestimmt wurde. Die Stadtverordneten und ihre Stellvertreter wählten wiederum den
Magistrat, bestehend aus einem Bürgermeister und 4 Ratsherren, für sechs Jahre.
Hinzu kamen ein Rechnungsführer und ein vom Magistrat unabhängiger Stadtrichter, Friedrich Wilhelm Leopold v. Cölln, der dem Stadtgericht vorstand.
Bürgermeister und Magistrat regelten nun alle Verwaltungsangelegenheiten, soweit sie nicht in das Aufgabengebiet des Stadtrichters fielen. Für einige Bereiche wurden weitere Bürger vom Magistrat und Stadtverordneten durch Wahl für zwei Jahre bestimmt.
Industriealisierung in Lage
In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts waren in Lage, wie in ganz Lippe, die Folgen des sogenannten Pauperismus spürbar. Mit Pauperismus bezeichnet die Geschichtswissenschaft die Massenarmut in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts als Folge eines starken Bevölkerungsanstiegs bei gleichzeitigem Fehlen von ausreichenden Erwerbsquellen und zunehmender Konkurrenz für das
Hausleinengewerbe durch die maschinell hergestellten Leinengarne aus England.
Anders gesagt: Es gab nicht genügend Arbeitsplätze für die rasch wachsende Bevölkerung. Dies machte sich besonders in Gegenden wie Lippe bemerkbar, die lange von der Landwirtschaft und der Leinenproduktion in Handarbeit gelebt hatten und nun durch die beginnende Industrialisierung zunächst in anderen Gebieten (Preußen und England) ihrer Arbeitsmöglichkeiten beraubt wurden, bis die Industrialisierung auch ihre Region erreicht hatte. Hinzu kam eine verfehlte Sozial- und Arbeitsmarktpolitik der Lippischen Landesregierung, die das Aufstellen von mechanischen Webstühlen in dem Glauben verbot, so Arbeitslosigkeit verhindern zu können.
Die Folgen waren auch in Lage spürbar. 1682 gab es hier geschätzt 356 Einwohner, 1726 waren es bereits 762, 1807 stieg die Zahl auf 883, um dann bis zum Jahr 1855 auf 1789 Einwohner anzusteigen. Hauptsächliche Erwerbsquellen waren die Landwirtschaft, das Leinengewerbe sowie einige Kleinhandgewerbe wie Schuhmacherei, Färberei, Schneiderei oder das Schmiedehandwerk. Einen Ausweg
sahen die Arbeitlosen in Lage und ganz Lippe seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert bis zum ersten Weltkrieg in der Wanderarbeit. Durch diese saisonale Abwesenheit großer Bevölkerungsteile wurden Alltag und Wirtschaft in Lage entscheidend geprägt und strukturiert.
Vermutlich auch aufgrund seiner zentralen und verkehrsgünstigen Lage wurde die Stadt Lage zum Organisationszentrum der lippischen Wanderziegler. Anfang des 20. Jahrhunderts zogen von den 70 000 Einwohnern Lippes Jahr für Jahr 15 000 als Wanderziegler zum Arbeiten in die Fremde. In Lage ließen sie sich auf dem Mäckelmarkt, der offensichtlich stärker besucht war als andere vergleichbare Märkte, in den Wintermonaten von Ziegelmeistern für die kommende Arbeitssaison im Ruhrrevier, im Rheinland, in den Niederlanden, in Dänemark, in Schweden und sogar in Russland anwerben. Der auf dem Marktplatz errichtete Zieglerbrunnen soll daran erinnern. 1895 wurde in der Stadt Lage als gemeinsame Interessenvertretung der lippischen Zieglermeister und Ziegler der „Gewerkverein der Ziegler in Lippe” gegründet.
Bis Mitte des 19. Jahrhundert gab es keine erfolgreichen Industrieansiedlungsversuche in Lage. Einzig ein paar Färber und kommerzielle Bleicher ließen sich in dieser Zeit nieder. Die erste Lagenser Fabrik wurde 1858 von dem Fabrikanten Wilhelm Bachmann und dem Kaufmann Phillipp August Barckhausen gegründete. Ihre „Zündwaaren“-Fabrik, die überwiegend 12 – 16-jährige Kinder aus Wanderzieglerfamilien beschäftigte musste 1894 aufgrund der Konkurrenz schwedischer Sicherheitshölzer und neuer Arbeitsschutzbestimmungen, die große Investitionen in das alte Fabrikgebäude notwendig gemacht hätten, aufgeben. Weitere kleinere Fabriken wurden eingerichtet, zeigten sich aber nicht als überlebensfähig. Lediglich einige Zigarrenfabriken blieben langfristig erfolgreich.
Eine positive wirtschaftliche Entwicklung setzte in Lage erst mit Verbesserungen der Infrastruktur gegen Ende des 19. Jahrhunderts ein. Zu nennen sind hier der Anschluss an das Bahnschienennetz seit 1881, der Anschluss ans Telefonnetz ab 1895 und die Errichtung eines Gaswerkes als Energieversorgungsinstitution 1909. Unmittelbar nach dem Anschluss an das Eisenbahnnetz entstanden die ersten, meist aus Handwerksbetrieben hervorgegangenen mittelständischen Industriebetriebe. Insbesondere die Nahrungs- und Genussmittelindustrie fand in Lage einen optimalen Standort.
Die lippischen Bauern wählten Lage zum Sitz ihres Landwirtschaftlichen Hauptvereines. Auf ihn ist auch die Gründung der Lippischen Zuckerfabrik 1883/1884 zurückzuführen, die seitdem einen gewaltigen Aufschwung erfahren hat. Nach ihrer Umbenennung in Lippe - Weser - Zucker AG wurde die Zuckerfabrik 1986 durch die Firma Pfeifer & Langen, Köln, übernommen. Der Vertrieb des Zuckers erfolget jedoch weiterhin von Lage aus. 1889 folgte die Gründung der Molkerei, die bis zu ihrer Schließung im Jahre 2011 die größte und modernste im Kreis Lippe war.
Große Bedeutung erlangte auch die heimische Textilindustrie, die sich trotz mangelnder heimischer Rohstoffe günstig entwickeln konnte, da hier ein großes Arbeitsangebot und eine günstige Verkehrslage vorhanden waren. Ein dritter wichtiger Industriezweig war die Holzindustrie, insbesondere die Möbelindustrie. In Lage entwickelten sich im Laufe der Zeit leistungsfähige Betriebe, die sich vor allem auf die Herstellung von Sitz-, Wohnzimmer-, Küchen und Polstermöbeln sowie auf die Sargfabrikation spezialisiert hatten. Innerhalb von zwei Jahren, zwischen 1893 und 1895 war die Zahl der Fabriken von 10 auf 24 angestiegen.
Stadtentwicklung Ende des 19. Jahrhunderts
Zum Ende des 19. Jahrhunderts entwickelte sich Lage vom Marktflecken zur Industriestadt. Dieser Strukturwandel betraf die Stadt in seiner räumlichen Ausdehnung, das Stadtbild und die Bevölkerungsstruktur. Der bäuerliche Charakter der Stadt trat in den Hintergrund. Bis ca. 1820 hatte sich zwischen Werre und Rhienstraße ein Stadtkern ausgebildet, welcher noch heute noch als Innenstadt, bzw. Kernstadt bezeichnet werden kann.
Nach 1822/23 erfolgte die Besiedlung entlang der aus dem Stadtkern herausführenden Straßen. Diese wurden auch zwischen 1820 und 1840 ausgebaut: Dies betraf die Lange Straße Richtung Bielefeld bis zur Gemarkungsgrenze, die obere Lange Straße Richtung Detmold und die Heidensche Straße. Als Querverbindungen entstanden die Schul- und die Fischerstraße (heute v. Cölln-Straße), sowie die Marien-, die Obere Straße und die Paulinenstraße.
Bis zur Jahrhundertmitte wurde die Fachwerkbauweise beibehalten. Die ersten Ziegelsteinhäuser bzw. Stadthäuser entstanden u. a . entlang der Heidenschen Straße und waren zunächst noch ein- und später auch zweistöckig. Ihnen fehlten jetzt die Attribute der Ackerbürgerhäuser, nämlich die breiten Dielentore, die Stallungen und die großen Dachböden. An den meisten Häusern wurden aber noch zur Gartenseite Stallungen angebaut, um weiterhin ein wenig Vieh halten zu können. Diese ersten Steinhäuser waren meist in Besitz der
Wanderziegler. Als Baustoffe wurden Ziegel der städtischen Ziegelei (1842 errichtet) verwendet.
Der Bau des ersten Bahnhofes erfolgte „auf der Heide“ außerhalb der Stadt um 1880. Der Neubau, den wir heute noch kennen, erfolgte 1901/2. Dem Anschluss an das Schienennetz folgte eine Ansiedlung von Industrie in Bahn- bzw. Bahnhofsnähe entlang der Heidenschen Straße bis hin zur Detmolder Straße, wo sich auch die Zuckerfabrik befindet, sowie auf der anderen Seite der Bahn an der Elisabeth- und
der Gasstraße. Die Bahn zerteilte aber auch die Stadt in „vor der Bahn“ und „hinter der Bahn“. Das Gelände zwischen Kernstadt und Bahnhof wurde besiedelt und mit kleineren Straßen durchzogen. Auch die von den Ausfallstraßen abzweigenden Wege wurden bebaut.
1863 entstand als Symbol städtischen Selbstbewusstseins das Rathaus. Architekt war Baumeister Merckel aus Detmold. Nicht nur Stadt und Bevölkerung, auch die Verwaltung wuchs, so dass 1904/05 bauliche Veränderungen nötig wurden. Diesmal war Baumeister Gustav Messmann der Architekt. In den folgenden Jahren gestaltete er zahlreiche öffentliche und private Gebäude um den Marktplatz herum sowie im übrigen Stadtgebiet, womit er dem wirtschaftlichen Erfolg der Stadt Rechnung trug. So entwickelte sich Lage vom Stadtbild her langsam von einer Ackerbürgerstadt in eine Bürgerstadt.
Ab 1924 waren aufgrund einer intensiveren Bebauung des Maßbruchs und Richtung Hardissen Dezentralisierungstendenzen spürbar. Geschäfte, zwei Kirchen ein Kindergarten ließen einen zweiten „Kern“ entstehten. Zeitweise sprach man sogar von einer „Neu-Stadt“ im Gegensatz zur „Alt-Stadt“, wobei die Lemgoer Straße die Verbindung bildete. Um 1951 ist die Einwohnerzahl der Stadt auf 11.654 angewachsen - im Vergleich
1841 waren es noch 1500.
Lage wird Großgemeinde
Seit Mitte des 20. Jahrhunderts zeichnete es sich ab, dass viele Gemeinden aufgrund einer zu geringen Einwohnerzahl nicht in der Lage waren, allen Anforderungen, die der gesellschaftliche und wirtschaftliche Strukturwandel mit sich brachte, gerecht zu werden. Sie schlossen sich in Zweckverbänden zusammen, um einen Teil der öffentlichen Aufgaben gemeinsam zu tragen. Dies galt auch für Lage und die umliegenden Gemeinden. Hier regelten zehn Zweckverbände, darunter ein Schulverband, ein Feuerlöschverband in Friedhofszweckverband Lage sowie ein Abwasserverband gemeinsam kommunale Zuständigkeiten. Die Gemeinden hatten also schon einen Teil ihrer Selbstverwaltung delegiert, als die nordrhein-westfälische Landesregierung in den 1960er Jahren Verwaltungsreformen anstrebte.
Die gebietliche Neugliederung der Gemeinden und Landkreise hatte das Ziel Verwaltungseinheiten zu schaffen, die durch den zentralen Einsatz von Fachpersonal und Arbeitsmitteln zu leistungsstarken Kommunen ausgebaut werden sollten. So beschloss der Kreistag des Landkreises Detmold am 19. März 1965 eine Gebietsreform.
In der Folgezeit wurden für die Region um Lage verschiedene Modelle diskutiert: Eine eigens vom nordrhein-westfälischen Innenministerium eingesetzte Kommission entschied sich für die Großgemeinde Lage. Das Gesetz zur Neugliederung des Kreises Detmold vom 2. Dezember 1969 legte fest, dass Lage mit den bis dahin selbständigen Gemeinden Billinghausen, Ehrentrup, Hagen, Hardissen,
Hedderhagen, Heiden, Heßloh, Hörste, Kachtenhausen, Müssen, Ohrsen, Pottenhausen, Waddenhausen und Wissentrup zur Großgemeinde Stadt Lage zusammengeschlossen wurde.
Aufgrund seiner verkehrsgünstigen Lage kamen schon vor der Gebietsreform viele Bewohner der umliegenden Gemeinden nach Lage, um dort zentrale Einrichtungen, wie das Krankenhaus, das Amtsgericht, das Freibad, die Stadtbücherei, die Volkshochschule, das Technikum oder eine der übrigen Schulen zu besuchen.
Die Einweihung des Schul- Kultur- und Sportzentrums Werreanger am 19.10.1974 kann als ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einer gemeinsamen Identität gesehen werden. Das Amtsgericht, das Krankenhaus, die Außenstelle der Fachhochschule Lippe im Technikum gingen verloren. Andere Einrichtungen und Maßnahmen, wie das Bürgerhaus am Clara-Ernst-Platz, das Kulturzentrum Technikum, die neuen Räumlichkeiten der Stadtbücherei und die Gestaltung der Fußgängerzone haben die Innenstadt zum gemeinsamen Zentrum aufgewertet.
Der Pflug im Wappen
Das Charakteristikum des Lagenser Siegels und Wappens ist der Pflug. Schon 1661 wird er in einem Gerichtsprozess als Element des
Lagenser Siegels beschrieben und als „von Alters hero“ bekannt bezeichnet. Dererste tatsächliche Siegelabdruck stammt von einer Urkunde von 1601. Es zeigt einen Pflug und trägt den Text: „S OPPIDI LAGENSIS“ also: Siegel des Fleckens Lage. Aufgrund der Gestaltung kann man auf eine Datierung um Mitte des 16. Jahrhunderts schließen.
Auch in den nachfolgenden Siegeln des Fleckens oder später der Stadt ist der Pflug zentrales gestaltendes Element. Agrarwissenschaftler, Heraldiker und Volkskundler haben sich mit der Deutung dieses Wappens beschäftigt und sind zu dem Schluss gekommen, dass es sich bei den ersten bekannten Formen um die Abbildung eines Grabstockpfluges handelt, dessen Schar aus einem Ast herausgehauen und durch
Schnitzen in die gewünschte Form gebracht wurde. Dabei handelt es sich wohl um einen sehr einfachen Pflug. Warum man in Lage den Pflug wählte, ist nicht bekannt. Bedeutsam ist aber die klare unverwechselbare Gestaltung, die dem Wappen eine leichte Einprägsamkeit verleiht.
Das nächste nachweisbare Siegel ist in Form einer Petschaft von 1636 im Stadtarchiv Lage erhalten. Es trägt den Text: „SIGGILL. NOV. OPPID. LAGENSIS.1.6.3.6.“ = Neues Siegel des Fleckens Lage von 1636. Der früheste Abdruck ist als Papiersiegel in einer Prozessakte von 1663 enthalten. Bis 1795 finden sich zahllose Abdrücke. Ab 1825 lässt sich die Verwendung eines neuen Siegels nachweisen.
Der Pflug im Wappenstein des Rathausturmes von 1863 ist nach rechts gewendet und mit einem Balken versehen. Darunter befindet sich das Motto „Vorwärts“. Über den Grund der Rechtswendung ist nichts Überprüfbares bekannt. Es wurde wohl von den Auftraggebern so gewünscht. Vermutlich hängt es damit zusammen, dass die Bewegung „Vorwärts“ in der Heraldik mit der Richtung nach rechts, aus der Sicht eines potentiellen Schildträgers, ausgedrückt wird. Im Geländer der Treppe des Historischen Rathauses am Marktplatz von 1956 ist der Pflug wieder nach links gewendet.
Vorbild war das 1954 auf Antrag der Stadt neu verliehene Siegel, bei dem man sich bewusst auf die älteste nachweisbare Form berief. Nach 1933 mussten sich die lippischen Gemeinden auf Wappen und deren Farben festlegen. In Lage entschied man sich für die Farben: Blau und Gelb. Nach dem ersten Weltkrieg waren die Stadtfahnen noch Rot und Blau gestaltet. Das Rot war aufgrund des roten Balkens auf dem zu dieser Zeit gültigen Wappen ausgewählt worden. Dieser sollte aber auf dem neuen Wappen nicht mehr erscheinen. So legte sich die Stadt auf die Farben Blau und Gelb fest. Offiziell bestätigt wurden die bis heute gültigen Stadtfarben aber erst 1954.